Gardasee 2009: Bericht zur Tour

„Nochmal kurz in die Berge“, war ein lange gehegter Wunsch. Man muss nur losfahren, der Rest kommt dann schon von selbst. Also fuhren wir los. Morgens um 03:00 ging es auf die Bahn Richtung Gardasee. Damit wir die Bikes nicht wackelig auf dem Dach mitschleifen müssen, bauten wir die Räder aus und verstauten alles im Kofferraum. So konnten wir die Fuhre auch ordentlich über den Asphalt scheuchen, zumindest in Deutschland und zumindest dort, wo keine Geschwindigkeitsbegrenzung oder Baustelle dem entgegensteht, also nicht an vielen Stellen.

Um 09:00 Uhr stehen wir am Hotel und können sogar schon einchecken. Schnell in die Radklamotten geschlüpft und die Bikes zusammengebaut. Eine gute halbe Stunde später rollen wir schon von Nago aus nach Torbole hinunter. Vor der Anstrengung gönnen wir uns noch einen Cappucchino am Seeufer, soviel Zeit muss einfach sein. Bald darauf rollen wir zwischen Oleanderbüschen am Ufer des Fiume Sarca nach Arco und biegen dort nach Bolognano ab. Hier beginnt der Aufstieg zum Monte Velo hinauf, ca. 1.000 Höhenmeter, verteilt auf ca. 12 Kilometer Strecke. Unsere Mountainbikes rollen auf dem Asphalt zwar nicht so gut wie ein Rennrad, doch die kürzere Übersetzung macht das wieder wett. Wir haben Glück, auf der Strecke ist kaum Verkehr und nur einige wenige Radler (davon die Mehrheit Frauen!) teilen sich den Weg mit uns. Ein bayerischer Biker begleitet uns ein Stück weit und gibt uns noch einige Tipps für den folgenden Tag, die wir leider nicht beherzigen, aber dazu später mehr.

In Santa Barbara hat der Berg ein Ende. Wir kühlen uns an einem Brunnen den Kopf und nutzen einen Picknicktisch für eine kleine Brotzeit. Jetzt geht es bergab weiter. Da wir dafür lieber andere Wege als eine Straße nutzen wollen, suchen und finden wir eine Alternative zwischen Feldern und Weinreben. Zunächst rollen wir auf einem Wirtschaftsweg, der sich jedoch schon bald im Unwirtschaftlichen verläuft und mit losen Steinen auf buckligem Untergrund nach Federweg und festem Lenkergriff verlangt. Mehrmals queren wir die Straße, um uns auf der anderen Seite weiter auf lockerem Grund in die Tiefe zu werfen. Reini nimmt das mit dem Werfen wörtlich, und schließt gleich zweimal mit dem staubigen Boden Freundschaft - zum Glück ohne ernste Folgen für Mann und Drahtesel. Bei Loppio erreichen wir den Radweg nach Mori. Das ist eigentlich nicht unsere Richtung, aber das Café Bologna lockt wie immer mit seinen leckeren Eisspezialitäten, die wir uns nun redlich verdient haben. Zurück nach Torbole läuft es fast von selbst – es geht ja auch meist bergab. Hinter einer Mauer sitzen wir dann windgeschützt am See, trinken Cappuccino und schauen den Surfern bei ihrer Arbeit mit und manchmal auch gegen den Wind zu. Natürlich schielen wir auch nach den flanierenden Touristinnen. Leider sind manchmal Konfektionsgröße und freizügiger Kleiderschnitt eher suboptimal kombiniert, so dass die Surfer oft die interessantere Alternative für uns sind ;-).

Heute wird es ernst, wir wollen zum Tremalzo hinauf. Ich war zwar schon zig Mal mit dem Motorrad oben, aber noch nie mit dem MTB. Zuerst fahren wir auf dem Küstenradweg nach Riva und zweigen dort zur ehemaligen Straße zum Lago di Ledro ab. Heute dürfen dort nur noch Fußgänger und Radler hinauf. Ein dreieckiges Schild mit der Aufschrift 20 % lässt uns kurz zusammenzucken, aber nur der erste kurze Anstieg ist so steil, danach geht es moderat weiter. Der Weg ist wirklich super, wir hangeln uns direkt an der steilen Felswand entlang und genießen die Blicke in die Tiefe und über den Gardasee. Irgendwann biegen wir rechts in ein Tal ab und steigen dort weiter bis zum Ledrosee hinauf. Zweimal fordern Schilder auf, das Rad zu tragen oder zu schieben, doch die kurzen Stücke, mit bis zu 28 %, schaffen wir noch fahrend, auch wenn der Puls schreit. Am Ufer des Ledrosees stärken wir uns für die weiteren Abschnitte, nicht ahnend, wie nötig diese Mahlzeit noch sein wird.

Wir folgen dem Südufer bis zu einem spitzwinkligen Abzweig und steigen den steilen Weg hinauf. Einige Kehren später füllen wir unsere mittlerweile leeren Trinkflaschen mit Apfelschorle auf, den Reini im Rucksack mitgeschleppt hat. Dabei schauen wir uns den Betonweg an, den wir gleich hinauf müssen. Mensch, ist der steil! Vielleicht ist es ja nur ein kurzes Stück und dann wird es flacher?! Wir werden es erst erfahren, wenn wir den Berg angehen, also los. Mit brennenden Schenkeln klettern wir Meter um Meter höher. Von wegen nur ein kurzes Stück. Als die Beine nicht mehr wirklich wollen und das Vorderrad immer hochsteigt, schieben wir. Und schieben. Und schieben. Und … wenn sie nicht gestorben sind, dann schieben sie … Das GPS attestiert uns stolze 33 %! Hin und wieder müssen wir lachen, obwohl uns langsam nicht mehr zum Lachen zumute ist. Inzwischen ist aus dem etwas breiteren Betonweg ein Singletrail geworden. Wenn es nicht gerade steil ist, dann stellen sich uns Wurzeln, Steine oder umgestürzte Bäume in den Weg. Das also hatte der Radler am Monte Velo mit, „… an einer Auffahrt gibt es einige Schiebeetappen …“, gemeint. Na ja, dass hatten wir uns aber irgendwie anders vorgestellt, vor allen Dingen nicht fast ausschließlich das Rad an der Hand führen zu müssen.

Als wir auf 1.228 m Höhe die kleine Kirche San Martino erreichen, werden wir mit einem tollen Blick ins Valle di Concei belohnt. Das heißt aber nicht, dass wir nicht mehr schieben müssen. Wenigstens haben wir nun Passagen, auf denen wir mal 30 oder 50 Meter fahren können, bevor wir wieder (ich kann’s bald nicht mehr hören) schieben oder gar tragen müssen. Ungefähr 3 Kilometer vor der Teerstraße zum Tremalzo hinauf, erreichen wir einen breiteren Schotterweg, der sogar bergab führt. Nach 3 Stunden schieben und tragen endlich wieder fahren, sogar einfach nur rollen lassen. Aus dem schmerzverzerrten Gesicht formt sich langsam ein breites Grinsen, das wäre geschafft! Nur noch die letzten guten 2 Kilometer zum Restaurant auf dem Tremalzo hochziehen, aber das ist nun kein Kunststück mehr.

Kurze Zeit später sitzen wir auf der Terrasse und lassen uns Spaghetti und Radler schmecken. Reini versorgt eine Blase an seiner Ferse, die er sich beim schlimmen Wort das mit „Sch“ anfängt geholt hat. Nach der Stärkung radeln wir die letzten Höhenmeter zur eigentlichen Passhöhe hinauf, tasten uns durch den dunklen Tunnel und stehen dann vor der Abfahrt ins Tal hinunter. Nun werden die Federwege ausgereizt und der Fat Albert an seine Grenzen getrieben - ok, ok, ich geb’s zu, meine Grenzen wurden natürlich vorher erreicht ;-). Auf jeden Fall ist es eine geile Abfahrt mit supertollen Ausblicken in die Täler und auf die zahllosen Kurven und Kehren, die noch vor uns liegen. Hin und wieder passieren wir einen Tunnel und einmal stoppen wir gerade noch so vor der breiten Kühlerhaube eines Land Rover, der sich unbedingt da hinauf quälen muss.

Am Passo Nota fahren wir wieder ein Stück bergauf, um auf den Weg nach Pregasina zu kommen. Dann geht es wieder abwärts, diesmal auf schmalen Pfaden, die zum Teil mit Wurzeln und Steinen gespickt eine kleine Herausforderung sind. Wir überholen eine Gruppe Mädels (warum eigentlich? ;-)  ) und stürzen uns weiter ins Tal hinab. Viel zu schnell erreichen wir wieder den Gardasee und Riva. Das heißt viel zu schnell für das Erlebnis, für Reinis Bremsbeläge jedoch nicht zeitig genug. Die schaben schon auf dem Stahl und so besorgen wir in Riva noch Ersatz, damit die morgige Tour problemlos angegangen werden kann. Bevor wir zum Hotel fahren, gönnen wir uns natürlich noch einen Cappuccino am See. Die Surfer sind leider schon weg, aber der Catwalk ist ja noch lange offen ;-)

Für heute haben wir uns den Monte Baldo ausgesucht. Da wir direkt Richtung Mori starten, fällt der Cappu in Torbole leider aus. Irgendwie ist es heute Morgen etwas frischer und die Beine wollen nicht so recht in Gang kommen. Vielleicht sind das auch die Nachwehen von der gestrigen Schiebeaktion. Egal, da müssen wir durch. Bei Loppio biegen wir rechts ab und schon nach wenigen hundert Metern finden wir uns auf einem schmalen Track wieder. Rechts steigt der Wald den Berg hinauf, links von uns liegen Weinberge. Wir folgen dem Saumpfad bis wir wieder nach rechts abbiegen und schon wird es wieder steil. Während wir den Weg hinauf schnaufen, merke ich, dass etwas mit meiner Hose nicht stimmt. Irgendwie zwickt sie und an den Beinen scheint sie etwas enger zu sein.
„Reini, kann es sein, dass du meine Hose anhast?“
„Nö, warum?“
„Halt mal an, da stimmt was nicht!“
Ich kontrolliere die Größenangabe und tatsächlich, wir haben heute Morgen die Hosen vertauscht. Da wir gerade alleine in den Weinbergen stehen, wechseln wir flugs die Beinkleider.

Nach dem wir die Weinberge hinter uns gelassen haben, weisen uns Schilder auf die Kastanien hin, die es hier weiter oben gibt. Doch auch ohne Schilder finden wir auf dem Boden genug herabgefallene Stachelkugeln und auch Walnüsse scheint es zur Genüge zu geben. Einige Zeit später fahren wir eine Schotterweg hinauf, nur um festzustellen, dass wir falsch sind. Zurück zum rechten Abzweig rollt es sich wenigstens einfacher, aber dann … dann geht es mit 28 % die nächste Rampe hinauf. Wenn ich meinen Pulsgurt angelegt hätte, würde der jetzt sicher Glühen ;-). Auf der Weide nebenan stehen einige Ziegen und meckern, für uns hört sich das wie Gelächter an – auch nicht gerade motivierend.

Wir streifen Brentonico nur am Ortsrand und verpassen so die Gelegenheit auf einen stärkenden Kaffee, Koffein soll ja auch Schmerzen lindern ;-). Bei Festa müssen wir Karte und GPS zu Hilfe nehmen, um den richtigen Weg zu wählen. Na gut, einen kleinen Verfahrer haben wir trotzdem wieder hinbekommen, aber die überwundenen Höhenmeter nimmt uns keiner mehr weg. Auf dem folgenden Schotterweg durch den Wald, ist plötzlich Reinis Hinterrad platt. Mit geübten Handgriffen ist der Schlauch aber rasch gewechselt und wir können weiter den Berg hinauf radeln. Dann wählen wir wieder mal einen falschen Abzweig, um bei der Malga Casina auf das Ende des Weges zu stoßen. Nein, es geht wirklich nicht mehr weiter, auch wenn die kleine Teerstraße, die wir erreichen wollten, nur ca. 150 Meter Luftlinie entfernt ist. Zum Glück geht die Rückfahrt wieder abwärts und wir holpern bis zu der Kehre zurück, an der wir vorhin falsch abgebogen sind. Nun geht es auf einem Trail weiter, der uns recht rasch, weil bergab, bis zur gewünschten Teerstraße führt. Einige Kehren weiter, erreichen wir eine Hütte, an der gerade Veteranen der Alpini (italienische Gebirgsjäger) ein Fest feiern. Es gibt Polenta mit Bohnensoße und Fisch und für mich, als nicht unbedingt Fischfreund, Salami und Käse zusätzlich zum Fisch, der trotzdem auf dem Teller bleibt. Dazu trinken wir Cola und Bier, damit es auch mit dem Flüssigkeitshaushalt wieder stimmt.

Nun haben wir 900 Höhenmeter Abfahrt vor uns. Die Straße ist bis zu 15 % steil, das spüren besonders die entgegenkommenden Radler, die sich mit hochrotem Kopf den Berg hinauf quälen. Heute Vormittag, auf der anderen Seite des Berges, haben wir bestimmt nicht besser ausgesehen. Jetzt genießen wir die Abfahrt und die gute Aussicht auf den Gardasee. Während Reinhard durchsaust, halte ich ab und zu für einen Blick oder ein Foto an, die Aussicht ist wirklich super. Viel zu schnell sind wir wieder im Tal unten und rollen genau in den alten Ortskern von Torbole hinein. Klar, nun fahren wir erst einmal zu unserem Stamm-Café, lassen uns die Sonne auf den Pelz brennen und genießen zum Abschluss nicht nur einen Cappuccino. Zusammenfassend kann man sagen: Garda = Geil!