Südtirol 2008: Bericht zur Tour

Fünf Uhr morgens, es ist dunkel und kühl. Ich stehe bei Reinhard vor der Türe und klingele, aber er öffnet nicht. Ein Anruf (gut dass es Handys gibt) klärt die Sache auf. Er ist gerade im Keller und holt sein Fahrrad. Rasch haben wir sein Gepäck verstaut und das Rad auf dem Dachträger geschnallt. Los geht’s, ab in die Berge.

Schon am Mittag sind wir bei Björn in Kaltern/Südtirol. Dank des frühen Aufstehens haben wir nun noch genug Zeit, um eine Aufwärmrunde mit dem Rad zu drehen. Reini hat schon eine Strecke ausbaldowert, diese wird noch mit Tipps von Björn ergänzt. Über Eppan fahren wir zu den Montiggler Seen.  Beiderseits der Wege leuchten die Blätter der Weinreben in herbstlichen Farben, bis wir in den Wald eintauchen. Hier geht es auf befestigten Waldwegen weiter, die uns zu den Montiggler Seen führen. Am Nordufer des größeren der beiden Seen empfängt uns ein toller Blick über das Wasser. Auf einem steil abfallenden Felsen ruhen wir aus und genießen die Landschaft. Doch lange können wir nicht ruhen. Trotz den guten Wetters ist es etwas frisch und wir kühlen schnell aus. Da treten wir lieber weiter in die Pedale.

Nun geht es über Singletrails weiter. Wir müssen öfter schieben, da die Spuren steil sind und zum Teil große Steine im Weg liegen. Ganz schön anstrengend das Ganze, macht aber trotzdem Spaß. Irgendwann öffnet sich der Wald und wir fahren wieder durch Weinreben. Wir umrunden den Kalterer See und fahren ein Stück weit auf einer Landstraße bis nach Tramin,  Kaffeepause! Direkt am Marktplatz gibt es mehrere Cafés, die alle gut besucht sind. Wir sitzen in der noch warmen Sonne, Glasscheiben schützen vor dem kühlen Wind, aber leider nicht vor dem Zigarettenrauch vom Nachbartisch L. Trotzdem genießen wir unsere Cappuccini und ein Stück Apfelstrudel. Hätten wir dabei schon gewusst, was der Kuchen kostet, wären uns die Stücke im Hals stecken geblieben.

Nun geht es bergauf weiter. Über Söll und Altenburg wollen wir wieder nach Kaltern zurück. Der Berg stemmt sich uns mit 16 % entgegen, die wir fleißig überwinden. Doch es kommt noch härter. Ab dem Feuerwehrhaus von Söll wird es erst richtig steil. Die Anzeige im GPS klettert auf 24 % und schon nach einigen zehn Metern muss ich den Bock schieben, kein Saft mehr in den Schenkeln. Kaum zu glauben, aber in der nächsten Kehre wird es noch steiler, Reinis GPS zeigt weit über 30 % an. So richtig trauen wir der Angabe nicht, aber so 28-29 % scheinen realistisch zu sein. Fotografieren können wir die Zahlen leider nicht, denn sobald man stehen bleibt, erlischt die Anzeige. Und während der Fahrt geht es auch nicht, da man auf dem steilen Stück die Hände nicht vom Lenker nehmen kann. Also glaubt es oder auch nicht …

Endlich in Altenburg angekommen, müssen wir (besonders ich) erstmal verschnaufen. Als der Puls wieder im zweistelligen Bereich ist, nehmen  wir noch einen Schluck aus der Fahrrad-Pulle, dann ziehen wir weiter. Nach einem eher flachen Anstieg erreichen wir den höchsten Punkt der Strecke. Ab hier geht es steil bergab bis Kaltern und wir lassen es richtig fliegen. Der Ortskern von Kaltern scheint ganz nett zu sein, doch uns ist zu kalt, um uns ins Café zu setzen. Wir fahren lieber zu unserer Unterkunft bei Björn weiter und nehmen eine heiße Dusche.

Nach dem wir wieder hergestellt sind, gibt es eine Privatführung durch die Kellerei. Björn arbeitet hier als Küfer und erklärt uns, wie der Wein verarbeitet wird und mit welchen Problemen man zu kämpfen hat, um einen guten Tropfen zu erzeugen. Die riesigen Edelstahltanks, mit bis zu 500.000 Litern Fassungsvermögen beeindrucken uns immer wieder durch ihre Größe. Doch die kleinen Holzfässer im Keller gefallen uns besser. Natürlich darf auch eine kleine Verkostung der flüssigen Schätze nicht fehlen und so erriechen und erschmecken wir die Aromen des Südtiroler Rebensaftes direkt am Ort der Erzeugung.

Das Radfahren und die Besichtigung haben uns ziemlich hungrig gemacht. Björn hat vorausschauend einen Tisch in der besten Pizzeria am Ort reserviert und zusammen mit seinem Kollegen Jan sitzen wir Vier erwartungsvoll am Tisch. Gibt es etwas Besseres als original italienische Pizza? Natürlich nicht. Unsere Augen werden ganz groß, als die Wagenrad großen Scheiben an den Tisch gebracht werden. Die Ereignisse des Tages und das gute Essen haben uns ziemlich müde gemacht. Es ist also kein Wunder, dass wir schon um 21:00 Uhr in der Falle liegen, froh endlich schlafen zu können.

Reinhard ist schon sehr früh wach. Er holt frische Brötchen und macht schon mal Frühstück, bis wir anderen die müden Knochen aus den Federn geschält haben. Björn hat seit langem endlich wieder ein freies Wochenende und wird uns auf der heutigen Tour begleiten bzw. führen. Um es nicht allzu schwierig zu gestalten, nehmen wir die Mendelbahn, um die 850 Höhenmeter zum Mendelpass zu überwinden. Die Mendelbahn ist eine der längsten und steilsten Standseilbahnen von ganz Europa. An der Bergstation genießen wir zunächst das Panorama, aber hier ist noch lange nicht Schluss mit den Höhenmetern. Wir fahren noch fünf weitere kurvenreiche Kilometer weiter hinauf, bis zu einem Aussichtspunkt auf dem 1.737 Meter hohen Gipfel des Penegal.

Nach einem Cappuccino in der warmen Sonne fahren wir weiter am Grat des Berges entlang, um schon bald auf einen Wanderweg abzubiegen. Apropos Wanderweg, mir würde hier selbst das Laufen schwer fallen, geschweige denn mit dem Mountainbike fahren. Ein steiler, vielleicht 30 Zentimeter breiter Trail führt ins Tal hinab, gespickt mit mehr oder weniger großen Steinen, die schon bald ihren Tribut fordern. Für Profis wahrscheinlich ein Klacks, für mich anstrengend und – plumps – da liege ich schon. Als alter Endurofahrer lasse ich mich natürlich von einem kleinen Sturz nicht abschrecken und nach einiger Zeit der Gewöhnung klappt es immer besser – mit dem Fahren, nicht mit dem Stürzen … ;-)

Wo es hinunter geht, da geht es irgendwann auch wieder hinauf. In unserem Fall natürlich so steil, dass wir oft schieben müssen. Das ist auch nicht weniger anstrengend als fahren, nur langsamer. Wir erreichen eine nette Hütte und ruhen uns am davor stehenden Tisch aus. Plötzlich ertönen Motorengeräusche. Eine Gruppe Endurofahrer hat sich hier hochgearbeitet und ist auf der Suche nach einem brauchbaren Weg. Ich fahre ja auch Enduro, aber hier auf den Wanderwegen im Gras sollten die Moppeds eigentlich nichts zu suchen haben. Die Grasnarbe ist sehr empfindlich und die schweren Geräte reißen Wunden in den Boden, die sich hier oben nur schwer wieder schließen. Warum bleiben die nicht auf den Schotterwegen? Die sind hier für Motorfahrzeuge zwar genauso illegal, aber da machen sie nichts kaputt.

Ein Stück weiter ist eine Wasserstelle ausgeschildert, hier füllen wir unsere leeren Trinkgefäße mit Quellwasser auf. Danach schieben wir unsere Räder einen steilen Hang hinauf. Den Spuren nach muss hier mal ein Traktor hoch sein. Wie der das geschafft hat bleibt ein Rätsel, denn wir bekommen kaum unsere Drahtesel den Berg hoch. Auf einem Singletrail erreichen wir dann einen Aussichtspunkt auf dem Gantkofel. Reini traut sich nicht an die Kante heran, denn es geht hier senkrecht bis ins Tal hinunter. Ein paar hundert Meter weiter führt uns dann eine breite Schotterstrecke in den Vintschgau hinunter. Gute 10 Kilometer immer bergab. Da mein Bike völlig ungefedert ist, kommen die Schläge bis in die Schultern durch. Die anderen haben wenigstens gefederte Gabeln. Für zukünftige Touren dieser Art muss ein Fully her - es ist ja bald Weihnachten und der Wunschzettel ist geschrieben ;-).

Als wir durchgeschüttelt, aber mit breitem Grinsen die Straße erreichen, lacht uns eine bewirtschaftete Hütte an. Klar, dass wir uns gleich eine Stärkung gönnen. Natürlich wieder Cappuccini, ergänzt durch Panini con Salame.

Um wieder Richtung Heimat zu kommen, müssen wir zum Mendelpass hochfahren. Von hier aus sind das über sechs Kilometer bergauf. Zum Glück ist die Strecke kaum steiler als 5 %, das ist ja eigentlich fast eben ;-). Als wir die Passhöhe erreichen, dämmert es schon. Nun dürfen wir gute 14 Kilometer bergab fahren. Wir treten in die Pedale, überholen sogar einige Autos und rauschen nach Kaltern hinunter. Schon bald tun die Arme vom Bremsen weh, ist aber besser als wenn die Beine vom bergauf fahren schmerzen ;-). Nach dem Duschen kocht uns Björn eine leckere dicke Suppe mit Gemüse und Hähnchenfleisch. Das schmeckt und tut gut! Auch heute Abend liegen wir schon sehr früh in der Falle, solche Touren schlauchen ganz schön!

Leider ist das Wetter heute bewölkt, aber wenigstens ist es trocken. Wir haben einen Track aus dem Internet herunter geladen, den wir heute nachfahren wollen. Den ersten Teil der Strecke sind wir zwar schon vorgestern gefahren, aber zum Höhenmeter sammeln (und Beine schmerzen lassen) taugt die Strecke auf jeden Fall. Zunächst rollen wir durch die Weinberge zum Kalterer See hinunter und wechseln dann auf die Straße nach Tramin. Dort biegen wir wieder nach Söll ab und strampeln den Berg hinauf. Bei der Feuerwehr legen wir eine kurze Verschnaufpause ein, dann geht’s nach Altenburg hoch. Die erste ca. 24 %ige Steigung treibt mir wieder den Puls in schwindelnde Höhen. Reini ist schon in der noch steileren Passage vor mir. Ihm scheint die Steigung kaum was auszumachen, ich pfeife auf dem letzten Loch. Doch ich schaffe es diesmal auch. Oben angekommen, scheint mein Hals zu klein zu sein, um den dringend benötigten Sauerstoff in die Lungen zu lassen. Schwer keuchend versuche ich den Puls wieder runter zu fahren. Glücklicherweise erhole ich mich recht schnell wieder und wir können den Weg fortsetzen.

In Altenburg besuchen wir diesmal auch die mittelalterliche Kuratiekirche St. Vigilius. Hinter der Kirche gibt es eine kleine Aussichtsplattform, von dort aus kann man über das ganze Tal mit dem Kalterer See und auf die Ruine St. Peter-Basilika schauen. Nach der Besichtigung fahren wir nicht wieder auf der Straße ins Tal, sondern folgen einem Singletrail, der parallel zum Asphalt ins Tal führt. Der Weg ist schmal - sonst wäre es auch kein Singletrail ;-), aber glatt und lässt sich flott fahren. Schon bald haben wir den Marktplatz in Kaltern erreicht, dort wollen wir uns für den zweiten Teil der Tour stärken. Die nette Bedienung vom Eiscafé serviert uns Kastanienherzen, der Herbst ist ja nicht nur Weinzeit, und Affogato, Espresso mit Vanilleeis.

Von Kaltern aus düsen wir weiter Richtung Eppan. Kurz vor dem Ort zweigen wir in den Wald ab und mehr kletternd als fahrend erreichen wir die so genannten Eislöcher. Das sind herabgefallene und aufgetürmte Felsen, in deren Hohlräumen sich bis in den Sommer hinein Eiszapfen halten. Da wir nun schon tiefsten Herbst haben, brauchen wir nach den gefrorenen Winterresten gar nicht erst zu suchen. Ein Stück weiter erreichen wir die Kirche St. Michael, oberhalb des gleichnamigen Ortes. Von dort aus führt ein eng gewundener Weg in den Ort hinunter. Als wir den gemeistert haben, setzen wir uns gleich noch auf eine Caféterrasse und genießen einen weiteren Cappuccino in der spärlichen Sonne. Interessiert hören wir den Leuten an den Nebentischen zu, die hier anscheinend Ladinisch sprechen. Italienisch und deutsch würden wir ja halbwegs verstehen.

Nach der Kaffeepause starten wir wieder in Richtung Montiggler Seen. Nach ein paar Kilometern Straße tauchen wir wieder in einen Wald ein. Diesmal etwas oberhalb der Seen, dabei folgen wir dem ständigen Auf und Ab des Trails. Einige Abzweigungen finden wir nur mit Hilfe des Tracks im GPS. Von selbst wären wir nie auf die Idee gekommen, in den einen oder anderen Weg abzubiegen. Einige Anstiege und Gefällstrecken können wir wiederum nur schiebend überwinden, auch wenn in der Tourbeschreibung nichts von Schiebepassagen steht. Aber wir sind ja auch noch Anfänger, was solche Singletrails angeht. Als wir den Kalterer See erreichen, verlassen wir die vorgegebene Route, da diese in Tramin endet, den Ort hatten wir ja heute Morgen schon angefahren. Durch die Weinberge, natürlich bergauf, radeln wir nach Kaltern zurück. Ich mache noch einen kleinen Umweg, um die 1.300 Höhenmeter noch voll zu bekommen und fahre dann auf den Marktplatz. Jetzt noch einen schönen heißen Kaffee schlürfen und ein wenig dem Treiben zusehen. Wenn ich erst in der Wohnung bin und geduscht habe, kann ich mich sicher nicht mehr aufraffen.

Abends fahren wir mit Björn und Jan in die zweitbeste Pizzeria Kalterns und treffen uns dort mit Vladi, einem tschechischen Kollegen von Björn und weiteren tschechischen Freunden. Vladis Freundin ist auch dabei. Blonde Haare, der Stringtanga schaut aus der Hose raus und mit allen weiblichen Attributen mehr als gut ausgestattet, lässt sie unsere Muskelschmerzen schnell vergessen ;-). Die tschechischen Freunde sind natürlich trinkfest und ständig bekommen wir frisch gefüllte Gläser hingestellt. Das passt natürlich nicht zu Sportlern und so müssen wir schon bald die Einladungen ablehnen – echt jetzt!

Am gestrigen Abend waren wir mal nicht so früh im Bett. Dementsprechend gerädert fühlen wir uns heute. Für den heutigen Tag ist Regen voraus gesagt. Der Himmel ist auch schon ganz zugezogen. Deshalb wollen wir schon heute Richtung Heimat fahren. Aber noch nicht ganz Nachhause, sondern nur bis Bad Dürrheim, um dort (wie schon oft) im Solemar die Sauna unsicher zu machen. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Björn für seine Gastfreundschaft bedanken, es waren schöne Tage bei dir!

Nach einer regenreichen Fahrt kommen wir freudig an der Therme an. Doch heute ist die Sauna für uns zu, denn es ist Damentag - was uns grundsätzlich nicht stören würde ;-). Also bleibt uns nur das Schwimmbad mit den Sprudelbecken, besser als nichts. In der Umkleidekabine stelle ich fest, dass meine Badehose noch im Auto liegt. Also wieder anziehen und raus zum Parkplatz. Wieder in der Kabine zurück, ist auf einmal mein Eintritts-Chip weg. Mehrmals durchsuche ich meine Klamotten, nichts L. Als ich schon aufgeben und zum Bademeister will, finde ich das teil doch noch – in der tasche, die ich schon mehrmals durchsucht habe. Später, im salzhaltigen Wasser spüren wir auch gleich, welche Stellen beim Biken, oder besser beim Fallen, alle aufgeschürft wurden. Überall ziept und zwickt es, bis wir uns irgendwann dran gewöhnt haben, oder so müde sind, dass wir gar nichts mehr spüren …

Die Nacht verbringen wir auf dem Campingplatz am Riedsee, auf dem wir schon im Sommer waren. Hier hat Reinis Bruder einen Wohnwagen stehen, in dem wir schlafen können. Vorher sind wir wieder bei Reinis Eltern in Tennenbronn zu Gast und vertilgen ein halbes Kilo Spaghetti Aglio e Olio, damit wir nicht vom Fleisch fallen. Danach fahren wir zurück und fallen in den wohlverdienten Schlaf. Die große Überraschung erleben wir am nächsten Morgen. Als wir aus dem Fenster schauen, ist alles mit Schnee überzogen. Vorausschauenderweise habe ich die Winterreifen schon aufgezogen, so dass die weitere Fahrt kein Problem ist. Da es nicht mehr weit bis Karlsruhe ist und wir noch Zeit haben, wollen wir heute Morgen doch noch in die Sauna. Bei dem Wetter kann man eh nichts Besseres machen. So genießen wir die heißen und kalten Temperaturen, laufen nackt durch den Schnee und träumen im Ruheraum von weiteren Fahrten über steile Trails …