Alpentour 2009

Tour des Alpes 2009

Schon bei der Alpenstraßentour im letzten Jahr hatten wir darüber gesprochen, die nächste Alpentour in Südfrankreich zu fahren. Und jetzt ist es soweit, wir stehen mit gepackten Taschen vor unserem Versorgungsfahrzeug und laden ein. Im Gegensatz zu meinen Mitfahrern, die je eine Tasche und einen Rucksack mitführen, stapeln sich vor mir zwei Taschen, ein Rucksack, ein Laptop-Rucksack und einen Foto-Rucksack mit der Spiegelreflexausrüstung. Schon werden Stimmen laut, dass ich Übergepäck zahlen müsste ;-), doch ich kann die Gruppe beruhigen, der Laptop ist für alle, da ich von Unterwegs aus schon Bilder ins Netz einstelle und auch an der Fotoausrüstung partizipieren alle Teilnehmer. Tatsächlich hätte ich zumindest die DSLR-Ausrüstung Zuhause lassen können, 99,9 % der Bilder habe ich mit einer kleinen kompakten Kamera gemacht, die ich in der Rückentasche des Rad-Shirts immer dabei hatte.

Einen Tag später, morgens um 06:00 Uhr, starten wir nach Südfrankreich. Die Details der Autofahrt spare ich mir, meine Fahrt in den Kurven des St. Bernhard bleibt sicher auch so dem Einen oder Anderen in Erinnerung ;-). Berre les Alpes, unser Ziel, liegt malerisch auf einer Bergspitze. Das malerische hat aber ein jähes Ende, als wir bei der Auffahrt, noch mit dem Auto, die Steigungen und die Länge des Berges abschätzen. Das alles müssen wir morgen Abend, nach der ersten Tour, mit dem Fahrrad hinauf fahren!

Vor dem Hotel ist eine mit Ranken bewachsene Arkade, unter der wir das leckere Abendessen einnehmen und die morgige Tour besprechen. Eine der Straßen, die wir fahren wollten, ist gesperrt. Natürlich könnten wir auf einen anderen Weg ausweichen, doch mit dem Fahrrad ist das nicht so einfach wie mit dem Motorrad. 40 Kilometer und viele hundert Höhenmeter Umweg können wir nicht einfach so zusätzlich dranhängen. So beschließen wir die Strecke des ersten Tages lieber etwas zu kürzen und die Sache ruhig anzugehen.

Etappe 1: Berre les Alpes - Contes - Coaraze - Col St. Roch - Col del Orme -
Col del Able - Col de Braus - L'Escarene - Col de Nice - Berre les Alpes.

Spruch des Tages: Die Kenntnis der physikalischen Zusammenhänge beim
Bergauffahren ist zwar interessant, aber nicht so nützlich wie ein großes Ritzel!

Bevor wir starten, schießen wir noch ein Gruppenfoto. Sieht schon toll aus, wie wir alle in unserem Tour-Shirt (hat Silvia super entworfen!) auf den Rädern sitzen. Dann geht es endlich los. Da wir auf einem Berg starten, geht es natürlich zunächst bergab und das fällt uns nicht schwer ;-). Bis Contes läuft es fast wie von selbst, dann beginnt die Steigung nach Coaraze hinauf. Im Tal war es noch schattig und temperaturmäßig auszuhalten, doch gerade am Berg fahren wir voll in der Sonne, die gnadenlos herab brennt. In Coaraze rasten wir kurz im Schatten, bis die Gruppe wieder komplett ist. Dann strampeln wir kräftig weiter, passieren die Cols de Savel und St. Roch, und überqueren die Baisse de la Cabanette. Die Cols de l’Orme und de l’Ablé nehmen wir fast im Vorbeiflug mit. Im Hinterkopf bleibt jedoch haften, dass wir jedes Gefälle morgen als Steigung vor uns haben. Denn auch die morgige Tour mussten wir etwas umstricken und nehmen einen Teil der heutigen Strecke in umgekehrter Richtung unter die schmalen Räder.

Am Col de Braus machen wir länger Pause, gönnen uns ein verspätetes Mittagessen und kalte Getränke. Das Gebräu in den Fahrradflaschen hat natürlich längst Umgebungstemperatur (32°C!) angenommen und kann uns kaum erfrischen. Die Chefin des Hauses, eine nette und attraktive Mittvierzigerin, lässt hoffen, dass ein Teil der Wünsche von Kollege Pickup-Klaus nicht in Erfüllung gehen. Neben einer schönen Tour wünschte er uns nämlich lauter hässliche Französinnen ;-). Doch Spaß beiseite, wir sind ja nicht zum Vergnügen hier. Nach dem Essen haben wir die notwendige Schwere erreicht, um uns rasant den Berg nach L’Escarene hinab zu stürzen. Trotz einer kurzen Fotopause, um die Serpentinen abzulichten, die wir uns morgen wieder hinauf quälen müssen, überhole ich noch die ganze Meute und kann mich bis zu Joachim vorkämpfen, der die Gruppe anführt. Hinter der Brücke über das Flüsschen Le Paillon wird es wieder ernst. Ab jetzt geht es bergauf, bis wir am Hotel sind. Hinter dem Ort erreichen wir den Col de Nice, ein eher unscheinbarer Pass, den wir sicher nicht bemerkt hätten, wenn nicht ein Schild darauf hin gewiesen hätte. Hier biegen wir rechts ab und schwitzen unter der unbarmherzigen Sonne literweise Wasser aus. Irgendwann sind wir dann endlich oben am Hotel und stürzen uns auf ein eiskaltes Bier bzw. Panaché. Und was machen wir Wahnsinnigen dabei? Wir schauen uns das Ende der vorletzte Etappe der Tour de France an, wie die apothekengestählten Rennradler den Mont Ventoux hinauf schnellen – so schnell sind wir ja kaum bergab ;-).

Etappe 2: Berre les Alpes - L'Escarene - Col de Braus - Peira Cava -
Col de Turini - La Bollène Vesubie - Lantosque - Le Suquet.

Spruch des Tages: Es ist schön, wenn man oben ist und der Schmerz nachlässt!

Heute beginnt das Nomadenleben, wir fahren immer weiter nach Norden und verbringen jede Nacht in einem anderen Hotel. Unser Wagen ist beladen und Joachim fährt ihn zum Col de Braus hinauf. Danach kommt er uns mit seinem Rad entgegen und radelt mit uns wieder zum Pass hoch. Obwohl die gestrige Tour kürzer als geplant war, spüren wir ganz gut, dass wir etwas getan haben. Doch mit der zunehmenden Erwärmung der Muskeln lässt der Schmerz langsam nach und es geht besser als zunächst gedacht vorwärts bzw. aufwärts. Die Serpentinen zum Col de Braus hinauf lassen sich auch besser meistern, als wir sie uns gestern bei der Abfahrt vorgestellt haben. An der Baisse de la Cabanette weichen wir vom gestrigen Wege ab, halten uns nach Norden und strampeln auf den Col de Turini zu. Ab hier sind die Steigungen moderat, die letzten paar hundert Meter zum Pass geht es sogar bergab. Da es gerade Mittagszeit ist, setzen wir uns in ein Restaurant und essen etwas. Doch das Gelage ist eine Enttäuschung. Der Salat ist nicht angemacht, der Käse zu den Spaghettis verschimmelt und die Getränke nur leidlich kühl. Als Ausgleich sind dafür die Preise hoch. Dies war zum Glück unser einziger Reinfall. Ein Stück weiter unten, in La Bollene Vesubie, gibt es viel bessere Lokale, die kenne ich noch von meinen Motorradtouren her.

Die Abfahrt ins Tal ist super. Tolle Ausblicke in die Tiefe malerische Berge rundum, aber leider zum Teil auch Rollsplit, der den Fahrgenuss bzw. das Tempo entsprechend schmälert. Viel zu schnell erreichen wir Le Suquet, unser heutiges Etappenziel. Wie schon erwähnt, haben wir die heutige Strecke etwas verkürzt, deshalb sind wir schon sehr früh am Ziel. Um die Zeit bis zum Abendessen zu etwas totzuschlagen, kühlen wir unsere Beine im eiskalten Flüsschen La Vesubie und essen Eis.

Etappe 3: Le Suquet - Saint Jean la Rivière - Pont Louis Charles - Gilette -
Tourette du Chateau - Toudone - Les Crottes - Ascros - Col St. Raphael - Puget Thenieres.

Spruch des Tages: Wenn man einen Berg hochfahren will,
einfach im Tal mit Treten anfangen und auf dem Pass oben aufhören!

Nach dem Frühstück satteln wir auf und rollen den Gorge de Vesubie hinab. Hier im tiefen Tal ist es noch schattig und fast etwas kühl – aber nur fast ;-). Kurz hinter der Mündung des Le Vesubie in den L’Esteron, überqueren wir Letzteren und steigen einige Serpentinen nach le Senegage hinauf. Von hier aus steigt der Weg immer weiter, wenn auch nicht mehr ganz so schlangenförmig. Reinhard und ich sind ganz vorn, die anderen hinter uns nicht mehr zu sehen. Unter dem Coaching von Reini, der sich ständig meine Trittfrequenz und Pulsdaten durchgeben lässt, schufte ich mich weiter nach oben und komme als Erster in Gilette an. Nicht dass ich so besonders gut gefahren wäre (besser und schneller als sonst war es zwar schon) doch die Anderen haben sich nur zurückgehalten und mich ziehen lassen ;-).

Von Gilette aus fahren wir auf einem leicht steigenden Kamm weiter. Wir passieren den Collet des Sausses, den Col St. Michel und den Col de Vé Gautier. Immer wieder haben sich Häuser um Bergspitzen versammelt und sehen aus einiger Entfernung wie befestigte Dörfer aus. In den fast menschenleeren Örtchen rollen wir durch enge, schattige Gässchen. In Ascros stoppen wir und lassen uns von unserem Marketenderwagen, der gerade von Hanspeter chauffiert wird, mit Brot, Käse und Schinken verwöhnen. Außerdem müssen wir unbedingt unsere Trinkflaschen nachfüllen, die in der Hitze rasch von uns geleert werden. Am Col de Saint Raphaël fehlt Reini plötzlich. Wie sich später herausstellt, ist er falsch abgebogen und einen Berg nach Süden hin abgefahren. Zum Glück hat er seinen Fehltritt schnell bemerkt und sich wieder auf die Kammstraße hinaufgearbeitet, so dass wir komplett nach Peget Théniers hinabfahren können.

Heute hatten wir nicht so viele Höhenmeter zu überwinden und es ist noch früher Nachmittag. Die drei Unersättlichen, Sepp, Joachim und Reinhard wollen deshalb noch eine Extrarunde fahren. Silvia, Thorsten und ich fühlen uns vom Pool des Hotels angezogen und Hanspeter meint sich etwas hinlegen zu wollen. So kann sich jeder nach seinem Gusto entspannen. Am frühen Abend gehe ich mit Silvia, Thorsten und Hanspeter in den Ort, um ein Eis zu essen und ein Lokal für das Abendessen zu suchen. Doch wie heißt es so schön, „ein Eis schmeckt noch besser, wenn man es kurz vor dem Verzehr durch ein Bier ersetzt!“ So rinnt statt süßem Gefrorenem kühles Nass durch unsere Kehlen, das zischt bei Temperaturen weit jenseits der 30° Marke noch besser. BTW: Das Abendessen nehmen wir im Restaurant gegenüber von unserem Hotel, direkt am kleinen Bahnhof ein. Diesen Tipp bekamen wir mehrfach im Ort und wir haben es nicht bereut. Nach dem Essen gehen Reinhard und ich nochmals nach Puget Théniers hinein. Auf dem Dorfplatz spielt eine Jazzband und es ist eine tolle Stimmung.

Etappe 4: Puget Thénieres - Moulin de Rigaud - Beuil - Col de Couillole -
Saint Sauveur sur Tinée - Isola - Saint Maur - Auron.

Spruch des Tages: Der Berg ruft, doch manche fahren mit Ohrenstopfen!

Heute steht der erste „richtige Pass“ auf dem Programm, der Col de la Couiolle. Dazu müssen wir zunächst den Gorge du Cians hinauf fahren. Die Steigungsanzeige im GPS schwankt immer so um die 9-10 %, also ist harte Arbeit angesagt. Immer wieder sieht es so aus, als ob hinter der nächsten Kurve die Passhöhe erreicht sei, doch die Straße steigt immer weiter hinauf und gönnt uns keine Pause. Irgendwann sind wir dann doch einmal oben und erreichen Beuil. Nach einer ganz kurzen Abfahrt, steigt der Weg wieder an und wir strampeln dem Couiolle entgegen. Ein paar Kurven noch und die letzte steile Rampe hinauf – geschafft.

Jetzt fehlen nur noch Thorsten und Hanspeter. Doch Thorsten kommt alleine an und berichtet, dass Hanspeters Rad einen Plattfuß hat, er aber keine Luftpumpe. Sofort stürzt sich Sepp samt einer Pumpe wieder den Berg hinab, um Hanspeter zu helfen. Eine Viertelstunde später sind wir komplett auf dem Pass und formieren uns zur Abfahrt. Bis Saint Sauveur können wir die Hangabtriebkraft nutzen und bequem die Erdbeschleunigung für uns arbeiten lassen. Danach geht es zwar nicht steil, aber stetig bergauf weiter. Sepp, Joachim und Reini sind irgendwo vor mir. Silvia, Thorsten und Hanspeter im Auto und ich hechele als „lonesome rider“ hinterher. In Isola treffen wir alle wieder zusammen, ab hier fahre ich zusammen mit dem Führungsdreier weiter.

Mittlerweile bin ich ziemlich fertig, die Fahrt ist nur noch eine Quälerei. Von Saint Etienne de Tinée aus sind es noch ca. 5 Kilometer und 500 Höhenmeter bis zum Ziel in Auron. Zuviel für mich. Ich lade das Rad in den Wagen und lasse mich mit Motorkraft ins Hotel bringen. Für unsere unermüdlichen Drei ist der letzte Anstieg auch kein Zuckerschlecken mehr, die Anstrengungen sind ihnen ins Gesicht geschrieben. Auch sie sind froh, als sie vor der Auberge stehen und endlich vom Rad steigen können.

Etappe 5: Auron - Saint Étienne de Tinée - Col de la Bonette - Jausiers -
Saint Paul sur Ubaye - Col de Vars - Vars - Guillestre - Risoul ( Haut Gaudissard).

Spruch des Tages: Wenn du 50 bist und dein Rad will auf den Bonette, lass es fahren!
(Frei nach Dieter Hildebrand)

Heute wird es sicher hart. Der Col de la Bonette und der Col de Vars stehen auf dem Plan. Nach einer kurzen Abfahrt ins Tal, haben wir 26 Kilometer Anstieg vor uns. Joachim fährt das Auto bis ca. 6 Kilometer vor die Passhöhe und kommt uns dann wieder mit dem Rad entgegen. Wir anderen beginnen schon mal mit der Strampelei. Noch im schattigen Tal wollen meine Beine nicht so richtig warm werden, obwohl es bestimmt nicht kühl ist. Erst nach einigen Kilometern komme ich in den richtigen Rhythmus und kann meine ideale Trittfrequenz finden. Wenigstens ist die Steigung ziemlich gleichmäßig, so dass man nicht ständig schalten muss. Am Versorger angekommen, warten wir bis die ganze Gruppe wieder zusammen ist. Wasser wird in die bereits leeren Trinkflaschen nachgefüllt, Bananen und Müsliriegel werden verdrückt. Dann geht es wieder weiter. Schon von hier aus sieht man, dass das letzte Stück vom Col de la Bonette zum Cime de la Bonette recht steil ist. Wenn ich jetzt wüsste, was das Gegenteil von Vorfreude ist, Angst? Respekt? Egal, die Pedale wollen bewegt sein. Bis zur Passhöhe ist es dann auch nur Anstrengung, danach (für mich) Quälerei. Bis zu 14 % Steigung schreit mir die Anzeige entgegen, vielleicht hätte ich besser nicht draufschauen sollen ;-). Die letzten Meter stapfe ich im Wiegetritt hinauf, nur nicht nachlassen, nicht aufgeben! Endlich, das Ziel, die Stehle am Cime de la Bonette ist erreicht. Die höchste Passstraße in den Alpen ist bezwungen!

Kleine Geschichte am Rande: Ein Polizeiwagen hält hier oben an und der Uniformierte sucht einen Skateboard-Fahrer, der sich waghalsig auf seinem Brett den Pass hinunterstürzt. Wahrscheinlich möchte er ihm nicht gerade zu seiner Heldentat gratulieren ;-). Ein Motorradfahrer erzählt, er hätte unten im Tal einen Anhalter mit Lederkleidung und Helm mit hochgenommen, der unter dem Arm ein Board dabei gehabt hätte, aber der sei schon wieder unterwegs nach unten …

Nach einer langen Pause und zwei erfolglosen Versuchen eine gemeinsame Passankunft mit Sepps Kamera auf Video festzuhalten, freuen wir uns auf die lange Abfahrt. Am Col de Restefond vorbei rauschen wir in die Tiefe. In le Pinet treffen wir alle wieder zusammen. Danach bilden Sepp und Joachim die schnelle Vorhut, Reini und ich die Nachhut, die anderen Drei sparen sich den Col de Vars und fahren im Auto weiter. Wie üblich steht nach jedem Kilometer ein Schild mit einigen Angaben zur Strecke und u. a. der Steigung für den kommenden Kilometer am Straßenrand. Komischerweise stimmen die Zahlen nicht mit der Realität überein. Einmal steht 2 % Steigung dran, tatsächlich aber haben wir im Schnitt 9 % und max. 13 %. Überhaupt zeigt das GPS im gesamten Anstieg kaum Werte unter 8 % an, dafür häufig 10 %! Ungefähr 2 Kilometer vor der Passhöhe stoppen wir kurz, um unsere Trinkflaschen an einem Bach aufzufüllen und uns das kühle Nass auch über den Kopf zu gießen. Es ist nachmittags einfach zu heiß, selbst in diesen Höhen. Das letzte Stück schaffen wir dank der Zusatzkühlung auch noch und werden vom Rest der Truppe freudig empfangen.

Nach einer kühlen Coca rollen wir die knapp 20 Kilometer nach Guillestre hinunter. Bis zu unserem Hotel haben wir noch ca. 5 Kilometer und 300 Höhenmeter zu überwinden. Diesmal schwächele ich nicht und strample tapfer weiter den Berg hinauf. Das geht besser als befürchtet und die Belohnung folgt auf dem Fuße, das Hotel hat einen schönen Pool mit Aussicht ins Tal und auf die umliegenden Berge. Kaum haben Reini und ich den Schweiß abgeduscht, liegen wir auch schon im kühlen Nass und erholen die müden Glieder. So macht das Radeln Spaß!

Etappe 6: Risoul ( Haut Gaudissard) - Guillestre -
Col de l'Izoard - Briancon - Col de Lautaret - Villar d'Arene.

Spruch des Tages: Im Flachen Teil ist der Pass steil!

Der Aufstieg zum Col de l’Izoard fällt mir heute sehr schwer. Irgendwie komme ich nicht so richtig in Tritt und die Hitze macht mir schwer zu schaffen. Sepp ist so nett und begleitet mich bei meinem Aufstieg im Schneckentempo. Ich bin pitschnass geschwitzt und ich lechze nach einem Bach oder einen Brunnen, um mir das kühle Wasser über Kopf und Rumpf laufen zu lassen, doch der Izoard ist trocken. Kein Bach, kein Rinnsal und die beiden Brunnen am Wegesrand sind nur zur Zierde aufgestellt. Endlich steht das Versorgungsfahrzeug in einer Parkbucht. Ich schnappe mir den Kanister und lasse mir das Wasser über Kopf und Körper laufen, endlich Abkühlung. Die Weiterfahrt geht nun schon etwas besser, zumindest, solange die Verdunstungskälte des nassen Shirts noch Kühlung bringt.

Am Fuße der Casse Desserte, also dem Geröllhang unterhalb des Gipfels, wird die Strecke flacher, es gibt sogar ein kurzes Gefälle. Vor dem letzten Stück Passanstieg steht ein Monument, an dem wir noch ein Gruppenfoto machen, bevor der Aufstieg weiter geht. Komischerweise geht es mir nun etwas besser, ich kann sogar noch etwas Gas geben, aber Silvia kann ich nicht mehr einholen ;-).

Endlich, die Passhöhe. Alle machen sich über die Köstlichkeiten aus dem Wagen her, ich bekomme nichts herunter. Irgendwie ist mir nun schlecht. Wahrscheinlich habe ich mich in der Hitze überanstrengt. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto stürzen wir wieder ins Tal hinunter. Besser wird mir davon auch nicht. Ich überlege, ob ich ins Auto steigen soll oder nicht. Die Strecke zum Col du Lautaret, unserem nächsten Ziel, ist nicht steil, sie zieht sich nur etwas unangenehm auf der stark befahrenen D1091 entlang, darauf kann ich in meinem Zustand gut verzichten. In Briançon bin ich ganz am Ende meines Wohlbefindens und steige zu Thorsten ins Auto. Die Anderen stemmen sich dem strammen Gegenwind entgegen und arbeiten sich tapfer weiter.

Ungefähr 15 Kilometer vor dem Pass steht Sepp am Straßenrand. Sein Tretlager hat sich gelöst, so kann er nicht weiter. Der Schaden lässt sich auch nicht auf die Schnelle beheben. Ich biete ihm mein Fahrrad für die Weiterfahrt an und nach einer kurzen Probefahrt, meine Shimano-Schaltung funktioniert etwas anders als seine Campagnolo, nimmt er an und begleitet Silvia und Hanspeter auf der weiteren Fahrt. Joachim und Reini sind inzwischen weiter gefahren und sitzen schon am Lautaret und bewundern die Gletscherspitzen der Meije (3983 m), als wir mit dem Versorger dort ankommen. Bald darauf sind wir wieder komplett und fahren gemeinsam die letzten Kilometer bis zum Etappenziel hinunter.

Nach einem Ankunfts-Bier, -Panaché, -Eis (zutreffendes auswählen) und einer langen Dusche, fahre ich zusammen mit Silvia und Thorsten mit dem Auto nach La Grave, um am Bankautomat Geld zu ziehen. Doch beide Geldautomaten des Ortes sind außer Betrieb und laut Touristeninformation sind die nächsten Möglichkeiten ca. 25 Kilometer entfernt! Das lassen wir dann lieber sein, irgendwie kommen wir sicher bis morgen über die Runden. Bis wir wieder zurück am Hotel sind, haben Hanspeter und Sepp schon das Tretlager an Sepps Rad wieder fixiert. Der Weiterfahrt steht also nicht mehr im Wege.

Etappe 7: Villar d'Arene - Col du Lautaret - Col du Galibier - Col du Telegraph -
Sain Michel de Maurienne - Saint Jean de Maurienne - Col du Chaussy - La Chambre.

Spruch des Tages: Wenn isch noch 'en Gang hätt, däd isch'n nemme!

Mir geht es heute wieder ganz gut, nur ein heftiger Sonnenbrand auf den Unterschenkeln und den Armen zeugt noch von der Überhitzung des gestrigen Tages. Den Col du Lautaret greifen wir heute von der anderen Seite an. Zunächst dauert es, bis die Beine wieder rund laufen, doch unweit der Passhöhe bin ich wieder in Form. Sepp und Joachim sind schneller den Lautaret hinauf und haben auch schon einen entsprechenden Vorsprung. Ohne anzuhalten fahre ich gleich den Abzweig zum Galibier weiter. Reini hatte mich bis zum Lautaret begleitet, gibt nun aber ordentlich Gas und stürmt dem nächsten Pass entgegen. Silvia und Hanspeter haben den Versorger ca. 6 Kilometer unterhalb des Galibiers geparkt und sind mit den Rädern wieder zum Lautaret hinunter gefahren. Gemeinsam mit Thorsten, der dort kurz verschnauft, nehmen sie die Verfolgung auf.

Bei mir läuft es ganz gut, die Schwäche vom Vortag scheint vorbei zu sein. Ich bin genau in meinem Tritt und kurbele Kurve um Kehre weiter hinauf. Zwar ärgert mich, dass 3 Halbstarke in Jeans an mir vorbei ziehen, doch schon bald darauf sitzen sie im Gras und machen Pause. Weiter oben passiere ich unseren Wagen, doch in meinen Flaschen ist noch genug Flüssigkeit und eine Banane steckt auch noch in meiner Tasche, also kein Grund um anzuhalten. Um das letzte Stück zum Pass hinauf abzukürzen, wurde ein Tunnel gebaut. Neben dessen Einfahrt führt die alte Straße zur eigentlichen Passhöhe hinauf und natürlich stellen wir uns dieser Herausforderung. Das letzte Stück ist natürlich sausteil und zehrt an den Kräften. Als ich mich umblicke, ist einer der Halbstarken von vorhin hinter mir. Ich mobilisiere noch mal alles, auf der Zielgeraden soll er nicht mehr an mir vorbeiziehen. Gleich 3 Gänge schalte ich hoch und stemme mich im Wiegetritt Sepp entgegen, der oben mit der Kamera wartet. Mein plötzlicher Einsatz hat den Jüngling demoralisiert, noch langsamer als zuvor erklimmt er die letzten Meter und schleppt sich über die Ziellinie ;-).

„Den Col du Telegraph nehmen wir im Vorbeirollen mit“, prophezeite Hanspeter schon vor Tagen. Irgendwie hatte er wohl vergessen, dass da noch 200 Höhenmeter zu überwinden sind. Eigentlich nicht viel, aber wenn man sich aufs Vorbeirollen eingestellt hat, tun sie doch etwas weh. Auf der weiteren Abfahrt überwinden wir noch viel mehr Höhenmeter zum Glück negative. In anderer Richtung wären die „Bergaufschmerzen“ sicher fast unerträglich ;-). Bis St. Jean de Maurienne kommen wir recht flott vorwärts. Vor der Weiterfahrt trinken wir zusammen noch etwas Kühles in einem Café und besprechen den nächsten Anstieg. Vor uns liegt der Col du Chaussy, 1000 Höhenmeter die es noch zu überwinden gilt. Das Sträßchen ist winzig und zu schmal für den Versorger mit Anhänger. Silvia und Thorsten fahren deshalb von hier aus direkt zum Hotel weiter. Wir anderen füllen unsere Flaschen auf und stecken noch ein paar Müsliriegel und Bananen für unterwegs ein, ab jetzt sind wir auf uns gestellt.

In Pontamafrey müssen wir etwas suchen, um den richtigen Einstieg zu finden. Eng gewunden schmiegt sich das Sträßlein an den steilen Fels, der wie ein Heizstrahler die Sonnenwärme reflektiert. Das bekannte Trio lässt sich davon nicht aufhalten und erklimmt mit raschen Tritten die ersten Kehren. Hanspeter und ich lassen es etwas langsamer angehen, wir genießen jede Kurve und jeden Ausblick ins Tal. In Le Mollard, einem Dörfchen am Wege, steht glücklicherweise ein Brunnen mit frischem Wasser. Klar, dass wir das kühle Nass nutzen und Kopf und Körper damit kühlen. Von hier aus sehen wir auch hoch über uns den Weg, den wir noch vor uns haben. In die Wand des La Roche Massivs wurde der Weg regelrecht hineingesprengt. Doch bis wir dort oben sind, müssen wir noch eine Weile strampeln.

Ein paar hundert Höhenmeter weiter meint Hanspeter plötzlich, „wenn jetzt eine Bank im Schatten käme, würde ich mich glatt 2 Minuten hinsetzen“. Kaum biegen wir um die nächste Ecke, stehen dort, wie bestellt, eine schattige Bank und daneben ein kleiner Brunnen. Klar, dass wir die Gelegenheit gleich zur Erfrischung und ein paar Minuten Ruhe nutzen. Doch wir wollen nicht trödeln und radeln schon bald wieder weiter.

Gut 2 Kilometer vor der Passhöhe kommen uns Sepp, Joachim und Reini entgegen. Sie waren schon ganz oben und berichten, dass die Straße zur anderen Seite hinunter nur ein Schotterweg wäre und Einheimische behauptet hätten, der Weg würde gar noch schlechter werden. Sie würden nun den gleichen Weg hinunter fahren, den wir hoch sind und im Tal unten zum Hotel radeln. Hanspeter und ich sind uns einig, dass wir zumindest noch bis zur Passhöhe fahren, so kurz vor dem Ziel geben wir nicht auf. Und dann schauen wir uns den Weg noch mal genauer an, vor 5 Jahren war dort noch eine geteerte Straße, erinnert Hanspeter sich. Insgeheim wissen wir, dass uns der Schotter nicht abschrecken wird, Rennrad hin oder her.

Oben am Pass treffen wir auf ein deutsches Paar, das sich auch unschlüssig ist, ob sie den Schotter wagen sollen oder nicht. Hanspeter und ich haben zwar keine Luftpumpe dabei, wollen uns aber trotzdem hinunter wagen. Die beiden überlegen noch und meinen, falls sie nachkämen, hätten sie zur Not auch einen Pumpe dabei.

Ok, die ersten ein- oder zweihundert Meter sind schon etwas steinig, doch wir machen uns leicht ;-) und rollen vorsichtig über den losen Untergrund. Immer wieder kommen bessere Stücke, Reste von der ursprünglichen geteerten Straße. Nach 3 Kilometern erreichen wir ein Dorf, ab da geht es auf frischem, glatten Asphalt weiter. Na also, als wenn wir es nicht geahnt hätten ;-). Ein Stückchen weiter, in einer Kurve, steht ein kleines Restaurant. Dort stoßen wir mit Cola auf unseren „Riecher“ an. Kaum bekommen wir unsere Getränke serviert, kommt auch schon das Paar vom Pass um die Ecke, auch sie haben den Abstieg gewagt.

In Bonvillard sehe ich aus dem Augenwinkel, wie gerade Brote aus einem Ofen geholt werden, anscheinend ein öffentlicher Dorfofen, wie es früher hier üblich war. Sofort gehe ich in die Eisen und interessiere mich für das frische Pain. Eine der Mädels spricht englisch und erklärt, dass man das Brot in eine Art Glühwein tunkt, bevor man es isst und dass es ein typisches Arbeiteressen sei. Auf meinen Einwurf hin, dass wir beide ganz schön auf dem Rad gearbeitet hätten, um hierher zu kommen, kommt zwar allgemeines Lachen der Umstehenden, jedoch kein Angebot diese Speise zu kosten – schade …

Ab hier geht es nun steil bergab, direkt bis vor unser Hotel. Ein kleiner Ausblick auf morgen, denn da müssen wir das Ganze wieder hinauf strampeln. Doch für heute ist es genug. Duschen essen und auf einen Absacker die Straße hinunter. Doch wo sind wir hier gelandet? Die Motorradkneipe nebenan hat schon geschlossen und im einzigen Lokal das noch geöffnet hat, gibt es keinen Alkohol?! Na gut, dann sacken wir halt mit Cola ab, wer weiß, für was es vielleicht gut ist …

Etappe 8: La Chambre - Col de la Madeleine - Albertville - Beaufort sur Doron.

Spruch des Tages: Jetzt müsst's runter gehn, bis wir oben sind!

Start zur letzten Etappe. Direkt vor dem Hotel beginnt der 20 Kilometer lange Anstieg zum Col de la Madeleine hinauf. Ist der Berg wirklich so steil, oder kommt es uns nur so vor? Zwischen 8 und 10 % pendelt die Steigungsanzeige und attestiert uns unseren Eindruck von der Steilheit. Vielleicht ist ja auch nur die Luft etwas draußen, im Prinzip ist die Tour vorbei und so schieben wir uns mehr schlecht als recht den Hang hinauf. Mit uns meine ich nur Hanspeter und mich, die anderen haben unbeeindruckt in die Pedale getreten und sind uns ein gutes Stück voraus. Was soll’s, wir wollen nicht hetzen, strampeln gemütlich weiter und schwatzen miteinander über Dies und Das. Ab und zu steht Thorsten mit dem Versorger am Straßenrand und bietet uns Wasser und Bananen an. Doch wir brauchen nichts, die gemütliche Fahrweise kostet nicht viel Schweiß und Kraft. Nach zähen, sich hinziehenden Kilometern, haben schließlich auch wir endlich die Passhöhe erreicht. Zur Feier des Tages, wir haben den letzten Pass dieser Tour bezwungen, gönnen wir uns alle ein Panaché im Café. Da wir das Auto noch voll mit guten Speisen haben, verschieben wir das Essen auf später und machen uns nun daran, wieder in tiefere Gefilde zu kommen.

Nach der Stärkung, auf halber Passhöhe der nördlichen Flanke, rollen wir weiter nach Albertville. Zunächst geht es wie von selbst bergab. Später dann, in der Ebene, stampfen Reini und Joachim abwechselnd voraus und versuchen einen >30er Schnitt hinzulegen. Ein zufällig dazu stoßender Einheimischer mischt sich in die Gruppe und weist uns den richtigen Weg um Albertville herum, ihm macht das Tempo Spaß. Bei Venthon verlässt er uns und wir biegen auf die D925 ab. Erschöpft rufe ich nach vorne, „er ist weg, ihr könnt wieder langsam machen!“ ;-)

Die schnellen Drei lassen sich nicht aufhalten, Silvia, Hanspeter und ich treten etwas kürzer. Es ist glühend heiß, kein wirklich gutes Radelwetter. 300 Höhenmeter liegen noch vor uns, die wollen überwunden werden. Eigenartigerweise sieht die Straße aus, als führe sie bergab, tatsächlich müssen wir aber feste treten, um vorwärts zu kommen. Die entgegenkommenden Radler dagegen, scheinen den Berg hinauf zu fliegen. Eine nette optische Täuschung, nur dass wir sie momentan alles andere als nett finden ;-). Wir sind alle drei mit den Kräften am Ende. Einige Kilometer vor Beaufort wartet Thorsten mit dem Auto auf uns. Silvia schlägt vor Schluss zu machen und in den Wagen zu steigen. Doch Hanspeter und ich wollen noch bis ins Ziel fahren, egal wie lange es noch dauert. Silvia hat jedoch genug von der Plagerei und entscheidet sich für den leichten Weg. So schleppen nur noch Hanspeter und ich uns weiter. Als linkerhand ein Lokal auftaucht, nutzen wir die Gelegenheit, uns schnell noch mit einem kühlen Getränk zu erfrischen. Nach 2 weiteren Kilometern erreichen wir Beaufort – wenn wir gewusst hätten, dass wir schon so nahe dran sind …

Wie stellen die Räder in der Garage ab und gehen noch ungeduscht in ein nahe gelegenes Eislokal. Hier genehmigen wir uns das verdiente Abschluss-Eis, das für französische Verhältnisse gar nicht mal so schlecht ist. Wir feiern das Ende der Tour und spinnen schon die Pläne für das nächste Jahr, wenn es wieder heißt, „der Berg ruft!“